Ironman WM 2023 der Männer: Nizza vom Start bis ins Ziel

Ironman WM in Nizza – und die Triathlonwelt blickt an die Côte d’Azur: Zum ersten Mal wird der Ironman WM-Titel in Frankreich vergeben. Das steht fest. Aber an wen er gehen wird, ist alles andere als klar. In diesem Artikel begleiten wir das Rennen mit regelmäßigen Updates bis zur Finish Line!

Sonntagmorgen, bei beginnendem Sonnenaufgang in Nizza: Spannung hängt in der Luft, diese herrliche Mischung aus Nervosität und unbändigem Bock. Es ist der 10. September 2023 – und zum ersten Mal in der Geschichte reihen sich die besten Athleten der Welt an einem Strand außerhalb der USA anlässlich einer Ironman WM auf. Unter ihnen: Jan Frodeno, der angekündigt hat, sein letztes Langdistanz-Rennen hier und heute zu absolvieren. Begleitet wird er bei seinem letzten Tanz von Kontrahenten, die an diesem Sonntag ihre eigenen Choreographien mit an den Start gebracht haben. Und als der Startschuss um 6:50 Uhr Ortszeit fällt, beginnt das Spektakel und das absolute Saison-Highlight der Herren …

Schwimmen bei der Ironman WM Nizza

Taktische Meisterleistung von Jan Frodeno und 1+ mit Sternchen für Sam Laidlow sowie Braden Currie

Ab ins Wasser und damit in die erste Dsiziplin des Tages. Gleich hier mag es für den einen oder anderen ein zunächst überraschendes Bild gegeben haben: Nein, es war eben nicht Jan Frodeno, der sich prompt an die Pole Position setzte – zumindest nicht in den ersten 31 Minuten. Stattdessen konnte Sam Laidlow eine astreine Technik und eine hervorragende Wasserlage zeigen, die ihm ermöglichtze, richtig Tempo zu machen. Mit Stil und Geschmeidigkeit! Lange hielt sich Frodeno auf Platz vier. Und nach der besagten ersten halben Stunde zeigt sich auch, warum: Frodo zieht raus und mit einer großen Packung Erfahrung an Laidlow & Co. vorbei. Was für eine taktische Meisterleistung!

Wie ein fuchsiger Hai hatte der Top-Schwimmer im Wasserschatten gelauert – und plötzlich nicht nur angegriffen, sondern auch die jungen Wilden in die Schranken gewiesen. Wahnsinn! Rennerfahrung und Taktik-Können: Schon beim Schwimmen werden die Joker-Karten gezückt. Beim letzten Rennen also „First out of Water“: Diesen Haken kann Frodo setzen.

Und Patrick? Der steigt mit gut 1:15 Minuten auf die Spitze aus dem Wasser und kann ebenfalls einen Haken an die Nummer machen. Nach dem Schock-Schwimmen beim Allgäu Triathlon Ende August (deutlicher Rückstand auf Ruben Zepuntke) keine unkomfortable Ausgangslage. In der zweiten Gruppe geht’s in die erste Wechselzone.

An der Stelle außerdem noch ein Blick auf folgende Athleten: Für Challenge Roth-Sieger Magnus Ditlev geht’s mit mehr als 90 Sekunden aufs Bike. Auch auf den ersten Kilometern läuft es auf dem Papier nicht so, wie es von Ditlev zu erwarten gewesen wäre. Ob das sein Plan war, wird sich später zeigen. Für den gar nicht so geheimen Geheimfavoriten vieler, Rudy von Berg, der übrigens – wie im Livechat beim Ironman-Livestream am Morgen zu lesen war – von Profi-Athletin und Zuschauerin Paula Findlay für diesen Tag aufs Treppchen getippt wurde, ging‘s auf Platz sechs liegend aus dem Wasser heraus. Wie gefährlich für die anderen und gut für ihn diese Position war, zeigte sich auch im bald auf der Radstrecke.

Wechselzone 1

Pleiten, Pech und Pannen

Braden Currie reist der Reißverschluss des Einteilers, Jan Frodenos Tri-Suit muss unterhalb der Arme ebenfalls dran glauben und Sam Laidlow bekommt die calf-ähnlichen Socken nicht problemlos an. Adrenalin!

Das Radfahren bei der Ironman WM Nizza

Heißdüsen, Gruppettos und Aero-Spielchen vom Feinsten

Es dauert keinen Kilometer und schon passiert das, wovor oftmals gewarnt wurde: Die ersten Athleten düsen mit ordentlich Motivation los. Guter Versuch, aber auch einer, der bezahlt werden müsste. Niek Heldoorn und Matthew Marquardt starten durch und werden nach 26 Kilometern nach hinten durchgereicht. Sie müssen Platz machen – für den diesjährigen Nicht-WM-Nizza-Sieger Clement Mignon. Wir erinnern uns: einer der jungen Franzosen, mit denen auf dieser Strecke mehr als zu rechnen ist. Mignon kennt die Strecke im Rennen. Gemeinsam mit Sam Laidlow (wie erwartet: Willkommen zurück in der Führung!) geht’s mit gut zwei Minuten Vorsprung auf die Verfolger den Berg hinauf.

Und dann ist sie da, die erwartete Zauberstunde von Magnus Ditlev. Was bei Frodo der „Moonshot“ ist, ist (um im Jargon von Sebastian Kienle beim Challenge Roth zu bleiben) bei Magnus Ditlev bereits die Mondlandung – und zwar nach Roth die zweite Ausgabe. Zum Ende des ersten Anstiegs zieht der Däne um sieben Plätze nach vorne, setzt sich von Platz zehn auf Platz 3 und zieht schließlich . Und auch hier sind sie wieder, das Taktik-Geschick und das Feingefühl bei der Strategie, die in diesem WM-Rennen beide die Fädenzieher sein könnten: Während Laidlow und Mignon alles geben, um ihren Vorsprung von gut zweieinhalb Minuten bei der Zeitmessung nach 53 Kilometern zu halten, rollt von hinten der Ditlev-Watt-Zug heran. Und der hat bekanntlich richtig Druck aufm Kessel. Achtung, hier kommt der Beweis: Ditlevs durchschnittliche (!) Wattleistung auf den besagten ersten 53 Kilometern lag bei 375 Watt (laut Grafik im Weltbild).

Es geht auf das malerische Plateau, den Abschnitt, auf dem gedrückt und gepusht wird. Traumbilder für die Zuschauer werden aus den französischen Seealpen in die Welt geschickt. Verschnaufpause … aber nicht für die Fans von Jan Frodeno. Denn derweil nimmt im deutschen Livestream Trainer Dan Lorang Platz und spricht etwas aus, das niemand gerne in Bezug auf den zunehmenden Rückstand von gut sechs Minuten von Jan Frodeno auf die Spitze hört: „Es sieht aus, als ob etwas nicht stimmt.“ Und er setzt nach: „Die eine oder andere Minute weniger wäre eigentlich der Plan gewesen.“ Heißdüsen-Modus der anderen? Probleme bei Jan? Ab diesem Zeitpunkt pocht das Herz der gesamten Triathlonszene Deutschlands, ach was, der Welt: Denn gönnen würde man es ihm, dieses letzte Ausrufezeichen setzen zu können. Gib alles, Jan!

Besonders bitter: der Fall Bradley Weiss. Seine Fünf-Minutenstrafe rührt nicht nur ihn selbst, sondern auch Sebastian Kienle zu Tränen. Hart, aber das ist Profisport! Letzteres gilt auch mit Blick auf das, was sich im zweiten Teil der Radstrecke abspielt.

Sam Laidlow auf Platz eins zementiert sich auf Platz eins fest, baut seinen Vorsprung von zwei Minuten auf knapp fünf Minuten auf, während ihm dabei niemand Geringeres als Magnus Ditlev im Nacken sitzt. Und unterdessen spielen sich im Mittelfeld dramatische Szenen für die deutsche Triathlon-Community ab – mit einem vorerst guten Ausgang für Patrick Lange, der rund um Kilometer 130 eine unheimlich starke Attacke setzen kann. Sein strategisches Momentum scheint gekommen zu sein. Gut möglich, dass dem einen oder anderen (zum Beispiel Nick ) vor dem Livestream gerade ein „Was ein geiles Rennen“ über die Lippen huscht. Denn genau das ist es: ein Rennen, das auch zum Ende der zweiten Disziplin noch lange nicht zu Ende ist. Denn „hinten kackt die Ente“ bekanntlich – und wir steuern auf die Antworten auf sämtliche Fragen zu. Apropos Fragen: Inzwischen ist auch klar, dass über das Thema Regeln, Kampfrichterwesen und Live-Kommentar zu diskutieren sein wird.

Zurück zu den Fragen, auf deren Beantwortung wir mit jedem Kilometer mehr hinzusteuern scheinen: Dass Sam Laidlow eine derart starke Schwimm- und Radleistung dank erstaunlich mutiger Renngestaltung bringen kann, damit war nach der Darbietung auf Hawaii im vergangenen Jahr zu rechnen. Auch in Nizza geht er mit seiner „All Out“-Nummer an die Sache heran. Aber wir erinnern uns: Auf Hawaii platzte er (Korrektur: wurde er überlaufen), in Roth explodierte er auf der Laufstrecke. Ob ihn in Nizza dieses Schicksal ebenso ereilen wird?

Patrick zeigt enorme Power, Jan offensichtlich Mut zur Lücke – eine Zerreißprobe für die Nerven der Fans. Wenn Patrick seinen Fabel-Marathon raushauen kann, wird es schwer, aber nicht unmöglich. Was Jans Laufleistung angeht, ist zwar mit vielem zu rechnen, aber womit genau, ist ungewiss. Kann Frodo die mentalen Flügel entwickeln, die ihm bei seinem „last dance“ ja durchaus zuzutrauen sind? Er selbst hatte angekündigt, insbesondere daran gearbeitet zu haben. Was ist drin – trotz 12 Minuten-Packung, die er auf der Radstrecke aktuell bekommt?

  • Das Rennen läuft noch …
    … und wir tippen derweil: Dieser Artikel wird regelmäßig upgedatet. Komm‘ also gerne zeitnah nochmal zurück, wenn du bis hierher gelesen hast oder refreshe die Page von Zeit zu Zeit. Wir nutzen hier gerade kein klassisches Liveticker-Tool, sondern möchten in sinnvollen Abständen relevante Informationen teilen. Von Start bis Ziel!

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