Buchbesprechung: A Thousand Brains

Dieser Beitrag enthält eine Rezension (Rezensionsexemplar erhalten) und Affiliate Links Mehr dazu hier.

Kürzlich durfte ich für eine grosse Konferenz zwei Redner aussuchen. Dabei fiel uns auf, dass es zwei Punkte gibt, die entscheiden, ob diese Personen beim Publikum ankommen oder nicht. Einerseits müssen sie entweder bekannt sein oder etwas wirklich spannendes zu berichten haben. Ursprünglich haben wir nur auf diesen Punkt geachtet. Als jedoch einmal eine berühmte Persönlichkeit einen derart seltsamen Auftritt hingelegt hat, dass wir nach den lediglich 15 Min. Vortrag gar nicht wussten, was wir sagen sollen, sind wir klüger geworden. Der Mensch alleine reicht nicht – die Präsentationstechnik muss ebenfalls stimmen.

In der Buchwelt ist das ganz ähnlich. Einerseits muss das Thema Dich interessieren – ein Buch über Fussball wird mich wahrscheinlich nie vom Hocker hauen. Aber es muss auch spannend geschrieben, schick aufgemacht oder wenigstens unterhaltsam sein. Das eine ohne das andere funktioniert nicht.

Glücklicherweise waren beide Redner dieses Jahr grandios. Bei dem Buch gestern habe ich schon erwähnt, dass es ein wenig anstrengend zu lesen war. Mit „A Thousand Brains“ von Jeff Hawkins ist mir nochmals das Gleiche passiert.

Der Inhalt

Ich finde es unglaublich spannend, zu verstehen, wie unser Gehirn funktioniert. In diesem Forschungsbereich gibt es zudem so schnell neue Erkenntnisse, dass es durchaus Sinn macht, immer wieder einmal etwas zu dieser Thematik zu lesen. Die Frage „wie eigentlich Intelligenz entsteht“ ist faszinierend und ich war gespannt auf die neuen Forschungsergebnisse.

In gleicher Weise schlägt Mountcastle vor, dass alle Dinge, die wir mit Intelligenz in Verbindung bringen und die uns auf den ersten Blick unterschiedlich vorkommen, in Wirklichkeit Erscheinungsformen desselben zugrunde liegenden kortikalen Algorithmus sind. Ich hoffe, Sie können nachvollziehen, wie unerwartet und revolutionär Mountcastles Vorschlag ist.

Aus „A Thousand Brains“

Jeff Hawkins ist ein brillanter Neurowissenschaftler, welcher einen radikal neuen Ansatz zur Funktionsweise des Gehirns entwickelt hat. Diesen stellt er Dir im Buch im gesamten ersten Teil ausführlich vor. Dabei ist seine Schreibweise sehr wissenschaftlich – was natürlich toll ist, wenn man diesen Schreibstil mag. Für mich war es manchmal beinahe eine Spur zu trocken – obwohl er immer wieder einmal darauf hinweist, dass er ein Thema nicht weiter ausführen wird, da es ansonsten zu wissenschaftlich wird.

Diese Beispiele zeigen uns, dass unser Modell der Welt falsch sein kann. wir können Dinge wahrnehmen, die es nicht gibt (wie das Phantomglied), und wir können Dinge, die es gibt, falsch wahrnehmen (wie das sich fremd anfühlende Körperglied oder die Gummihand). Dies sind Beispiele dafür, bei denen das Modell des Gehirns eindeutig falsch ist, und zwar auf eine beeinträchtigende Weise.

Aus „A Thousand Brains“

Inhaltlich fand ich sowohl seinen Ansatz sehr interessant als auch die beiden anschliessenden Teile: Künstliche Intelligenz und menschliche Intelligenz. Dass er dabei auf die Risiken der künstlichen Intelligenz eingeht, war zu erwarten. Der Vergleich, inwiefern sich menschliche Intelligenz davon abhebt, hat mich jedoch sehr fasziniert.

Der Begriff dafür lautet sensomotorisches Lernen. Mit anderen Worten: Das Gehirn erlernt ein Modell der Welt, indem es beobachtet, wie sich unsere Sinneseindrücke verändern, wenn wir uns bewegen.

Aus „A Thousand Brains“

Zudem fand ich es sehr spannend zu lesen, wie dieser Wissenschaftler die Zukunft sieht. Verschmelzen Gehirne und Maschinen? Was für existenzielle Risiken der menschlichen Intelligenz gibt es?

Sehr fesselnd war zudem auch, dass wir eigentlich nur in Modellen denken (resp. unser Gehirn) und diese möglicherweise auch falsch sein könnten.

Kein noch so grosses und schnelles Gehirn könnte das Vorkommen und die Zusammensetzung von extrasolaren Planeten allein durch Nachdenken herausfinden. Es ist nicht möglich, die Beobachtungsphase der Entdeckung zu überspringen.

Aus „A Thousand Brains“

„A Thousand Brains“ ist inhaltlich äusserst spannend zu lesen – wenn auch ein bisschen trocken und dadurch nicht besonders unterhaltsam. Wenn Du Dich aber für die Funktionsweise des Gehirns interessierst und wissenschaftliche Texte Dich nicht abschrecken, kann ich es Dir auf jeden Fall empfehlen.

Dieser Artikel erschien auf www.eigenerweg.com / Vielen Dank an den riva Verlag für das Rezensionsexemplar. Fotos von mir selbst.

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