Chelsea Sodaro im Interview: „Es ist ein Privileg für mich, andere inspirieren zu dürfen!“

Zum ersten Mal auf Hawaii und schon den Sieg in der Tasche: Genau damit schrieb Chelsea Sodaro im Oktober 2022 Triathlon-Geschichte. Umso spannender verspricht, 2023 zu werden. Unter anderem dank ihres Starts beim Challenge Roth. Doch Sodaro geht es um mehr als den Sport …

Stell dir vor, du lieferst bei einem Rennen ab – und plötzlich ist nichts mehr so, wie es mal war: So in etwa könnte man die vergangenen Monate im Leben von Chelsea Sodaro zusammenfassen. Bei der Ironman Weltmeisterschaft auf Hawaii ging die Amerikanerin als Rookie an den Start und kam als Siegerin ins Ziel. Ein Wahnsinns-Rennen! Und ein Rennen, das jetzt schon Freude auf das Jahr 2023 macht.

Denn nachdem sie im letzten Jahr noch als „Underdog“ in der internationalen Triathlonszene, unter anderem in Hamburg, unterwegs war, geht sie am 25. Juni als große Favoritin an den Start beim Challenge Roth. Und auch sonst hat sich einiges verändert. Als eine von vier sehr prominenten Neuzugängen (Gustav Iden und Kristian Blummenfelt auf der Männerseite) wird sie ab diesem Jahr von der Laufschuhmarke On unterstützt.

Chelsea Sodaro: Ein Sport, eine Leidenschaft, eine Agenda!

Auch der Sommer sieht etwas anders aus in diesem Jahr. Schließlich verbringt sie ihn samt Kind und Kegel vornehmlich in Europa. Zwischen Ibiza (PTO European Open) und Roth. Randnotiz zu letzterem Rennen: Hier wird sie, aber auch ihr Coach, der selbst ambitionierter Agegrouper ist, an den Start gehen. Das Rennen werde, so erklärt sie im Interview, also durchaus besonders.

Apropos Interview: Ein Gespräch mit der aktuellen Nummer Sieben der PTO-Weltrangliste ist nicht einfach nur ein Abarbeiten von Fragen, sondern regt zum Nachdenken an. Denn Sodaro hat eine Agenda. Und auf der steht unter anderem, die Rechte von Frauen im Sport zu stärken – gerade, wenn es um das Thema Mutterschaft und Mutterschutz geht. Umso erfreuter war sie, wie sie selbst sagt, als sie im Vertrag mit ihrem neuen Laufschuh-Partner On eine Mutterschutz-Klausel fand. Nicht erst auf Nachfrage, sondern ganz selbstverständlich. Ein Novum in ihrer langen Karriere im Profisport, die sie vom Laufen vor einigen Jahren in den Triathlon brachte …

Ich möchte den Sport eines Tages in Bezug auf den Umgang mit Athletinnen in einem besseren Zustand verlassen, als ich ihn selbst vorgefunden habe.

Pushing Limits: War ja ganz schön was los in den letzten Monaten! Wie würdest du die vergangene Zeit beschreiben: traumhafte oder chaotische Zeit?
Chelsea Sodaro: Ich sage es eigentlich täglich zu meinem Mann: Ich glaube, ich habe noch gar nicht realisiert, was da eigentlich passiert ist. Natürlich hat der Sieg in Kona unser Leben verändert. Die Zeit seitdem war sehr aufregend. Aber gleichzeitig bin ich jetzt auch viel häufiger beschäftigt – gerade, weil durch den Sieg mehr Leute auf mich aufmerksam wurden.

Pushing Limits: Hast du den Eindruck, eine gewisse Verantwortung zu haben, andere Frauen und Mütter da draußen und im Sport generell zu „empowern“?
Chelsea Sodaro: Absolut! Ich empfinde eine riesige Verantwortung, genau das zu tun – und es ist auch ein Privileg für mich, andere inspirieren zu dürfen. Für die meisten ist Profisport doch etwas sehr Egoistisches. Und irgendwie ist es der Triathlon ja auch: Es geht grundsätzlich ums Schwimmen, Radfahren, Laufen – ums Essen, Schlafen, Trainieren. Und das 24/7. Aber tatsächlich sieht mein Leben so gar nicht aus. Denn gerade die Mutterschaft ist doch das Selbstloseste, was ein Mensch tun kann. Es geht eben nicht mehr nur um mich.

Außerdem empfinde ich es als großes Geschenk, durch den Sieg in Kona eine Plattform bekommen zu haben, dank der ich etwas bewegen kann. Denn ich möchte den Sport vielleicht eines Tages in einem etwas besseren Zustand verlassen, als ich ihn selbst vorgefunden habe. Ich sehe die Sportwelt als eine Art Mikrokosmos und Abbild der Gesellschaft als Ganzes. Die Art und Weise, wie wir Frauen im Sport behandeln, ist entscheidend. Und wenn wir es schaffen, so etwas wie Mutterschutz zu einem Status-Quo zu machen, wäre das ein wichtiger Schritt. Der Körper ist im Sport nun einmal unsere Währung.

Chelsea Sodaro für On

Es ist schockierend, wie sehr wir Sportlerinnen immer noch für uns selbst eintreten müssen.

Pushing Limits: Die Frage klingt vielleicht ein bisschen konfus, aber: Gibt es dir selbst Kraft, anderen durch deine Geschichte Kraft zu geben? Immerhin wirst du dadurch auch gefordert, zu reflektieren, welche Erfolge du erzielt hast …
Chelsea Sodaro: Um ehrlich zu sein, lasse ich mich sehr leicht inspirieren – denn es gibt so viele tolle Beispiele von großartigen Frauen in meinem direkten Umfeld. Ich bin ja nicht die erste Frau mit dem Thema. Frauen liefern Bestzeiten ab, obwohl sie Kleinkinder zu Hause haben. Meine gute Freundin Alysia Montano ist im achten Monat noch bei einem US-Meisterschaftsrennen über 800 Meter gestartet. Ich bin somit nur eine von vielen Frauen, die die Chance haben, den Sport zu verändern. Und es ist eine gute Zeit, um im Profi-Triathlon aktiv zu sein: Durch Initiativen wie die der PTO rund um das Mutterschaftsgeld tut sich etwas …

Pushing Limits: Wie bewertest du die Veränderungen in die Richtung in den letzten Jahren?
Chelsea Sodaro: Wir sind definitiv noch nicht am Ende angekommen. Es ist schockierend, wie sehr wir Frauen immer noch für uns selbst eintreten müssen. Es ist noch ein langer Weg, aber es ist eben ein Prozess. Und es hören uns immer mehr Menschen zu, das ist gut.

Ich liebe es einfach, zu racen.

Pushing Limits: In Hamburg bist du im vergangenen Jahr als „Underdog“ an den Start gegangen – aber in Roth bist du nach deinem WM-Sieg nun natürlich eine der Favoritinnen. Eine besondere Drucksituation?
Chelsea Sodaro: Ich freue mich wahnsinnig, in Roth in diesem Jahr an den Start zu gehen – gar keine Frage. Ich liebe es einfach, bei Rennen zu starten. Und ich liebe es, schnell zu racen. Ich sehe es also gar nicht als „Drucksituation“. Ich weiß, dass es sicher viele gibt, die entsprechende Erwartungen an mich haben. Aber was mich viel mehr antreibt, ist die Neugierde, zu sehen, was möglich ist – körperlich und mental. Denn ich selbst fühle mich immer noch als „Underdog“ auf der Langdistanz. Die anderen Starterinnen haben einfach viel mehr Erfahrung, sind viel etablierter. Ich möchte immer noch sehen, wo mein Potenzial liegt – und meine „Limits pushen“. Für mich sind die anderen der größte Antrieb, das Beste aus mir herauszuholen. Ich bin ein Wettkampf-Mensch und ich liebe es, zu racen. Zu gewinnen, macht natürlich Spaß, aber für mich ist das Ganze eher eine persönliche Herausforderung. Das liegt aber auch an meiner Geschichte …

Pushing Limits: Wie meinst du das?
Chelsea Sodaro: Triathlon ist für mich wie eine zweite Chance. Ich war früher im Profi-Laufsport und jetzt im Triathlon. Hier darf ich meine eigenen Regeln schreiben und suche mir ganz bewusst die Herausforderungen, die meine Neugierde stillen und mir Freude bringen.

Es fühlt sich alles nach einem neuen Kapitel an.

Pushing Limits: Ein weiterer Ritterschlag: Du wurdest als eine der Top-Athletinnen in die On-Familie aufgenommen – und bist Teil einer sehr exklusiven Gruppe an Profis, die 2023 in On-Schuhen unterwegs sein werden. Paula Findlay ist neu im Team, auf der Herrenseite laufen unter anderem die „Norboys“ in On. Was bedeutet es dir, Teil dieser Truppe zu sein?
Chelsea Sodaro: Ich sag’s ganz ehrlich: Ich bin ein absolutes Fangirl. Ich war schon vom OAC-Konzept begeistert, dank dem sehr viele, sehr junge Athleten alles an die Hand bekommen, um die Szene aufzumischen. Und zur Wahrheit gehört auch: Wir stecken mitten in der Supershoe-Ära – im Profisport darf man also nichts dem Zufall überlassen. On ist ein sehr kreatives, innovatives Unternehmen. Und dieser Spirit überträgt sich auch in die Schuhentwicklung und es ist eine spannende Zeit.

Pushing Limits: Welche Rolle spielt die Wahl der Sponsoren heute für dich – gerade mit Blick darauf, dass sich in den letzten Jahren ja wirklich ALLES bei dir geändert hat?
Chelsea Sodaro: Auf der einen Seite hat sich wirklich alles verändert, auf der anderen bin ich immer noch die Alte. Ich stehe morgens auf mit der Haltung, durch mein Training meine Grenzen zu verschieben und alles zu geben. So ist eben doch vieles ziemlich gleichgeblieben. Mithilfe meiner Partner habe ich alles, was ich brauche, um mich auf den Sport zu konzentrieren.

Pushing Limits: 2023 verspricht also, ein aufregendes Jahr zu werden …
Chelsea Sodaro: Ja, das glaube ich auch. Es fühlt sich alles nach einem neuen Kapitel an. Umso mehr möchte ich investieren und sehen, was auf der Strecke möglich ist. Mit On und auch meinen anderen Partnern habe ich allerdings auch eine Langzeitvereinbarung – und die diesjährige Saison ist für mich wie die erste von vielen weiteren Saisons.

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