Buchbesprechung: Von London nach Teheran

Dieser Beitrag enthält eine Rezension (Rezensionsexemplar erhalten) und Affiliate Links. Mehr dazu hier.

Reiseberichte sind auf meiner persönlichen Hit-Liste ganz, ganz weit oben. Natürlich – selbst zu reisen wäre oftmals noch ein kleines Stückchen besser. Aber es gibt dann doch gewisse Orte, die ich persönlich nicht auf meiner Wunschliste habe. Oder Reise-Vehikel. Wie zum Beispiel ein Fahrrad – wenn ich mir vorstelle, ich müsste monatelang Fahrrad fahren, wird mir schon ganz unwohl.

Aber nichtsdestotrotz lese ich umso lieber über genau diese Reisen. Mit Von London nach Teheran“ von Rebecca Lowe darf ich Dir heute einen besonders herausragenden Reisebericht vorstellen.

Der Inhalt

Was ist das Rezept für einen gelungenen Reisebericht, der mich so sehr begeistert, dass ich ihn jedem empfehle, den ich kenne? Es gibt einige Zutaten dafür, welche Rebecca Lowe in diesem Buch alle ausgezeichnet miteinander kombiniert hat.

Lass uns von Anfang an beginnen: Ein Buch über meinen letzten Urlaub in Fuerteventura wird Dich wahrscheinlich nicht vom Hocker hauen. Daher ist die erste Zutat eine wirklich spannende Story.

Und diese kann die Autorin definitiv bieten: Sie fährt mit dem Fahrrad von London quer durch Europa bis in den nahen Osten. Wow! Und das, ohne zuvor wirklich viel mit dem Fahrrad unterwegs gewesen zu sein.

Wir glauben, dass du wahrscheinlich sterben wirst“, teilte mir ein Freund ganz hilfsbereit mit und schaute mich dabei mit jener misstrauischen Zuneigung an, die normalerweise nur widerspenstigen Kleinkindern oder Welpen gilt, die den Teppich beschmutzt haben.

Aus „Von London nach Teheran“

Ich fand es dabei sehr spannend zu lesen, wie sie sich immer mehr mit ihrem Fahrrad befreundet. Während es zu Beginn noch ein wenig so klingt, als wäre das Fahren eine einzige Last, hört es sich zu Ende schon sehr beschwingt an. Dennoch bleibt sie durchaus ehrlich und verschweigt auch die schwierigen Momente nicht.

Noch unangenehmer ist mein Brooks-Sattel, der aus einer Art stahlverstärktem Granit gefertigt zu sein scheint. Man hat mir zwar gesagt, dass er irgendwann „weicher“ wird, aber noch halte ich das für kaum möglich. Der Tag, an dem der Sattel sich in eine zuckersüsse Wolke aus Feenstaub verwandelt, wird aber sicher ein Festtag sein und zweifellos als eines der grössten wissenschaftlichen Wunder in die Geschichte eingehen.

Aus „Von London nach Teheran“

Vielleicht fragst Du Dich nun, was mit dem „nahen Osten“ überhaupt gemeint ist. Genau auf dieses Thema geht die Autorin gleich zu Beginn ein. Sie ist eigentlich Journalistin von Beruf, was man durchaus auch merkt. Während andere sich vielleicht primär für die Landschaften oder die sportlichen Herausforderungen interessieren, liegt ihr viel daran, mehr Details zu den Kulturen zu erfahren.

So fragt sie durchaus auch ihre Gastgeber nach der aktuellen politischen Situation und verwebt geschickt spannende Hintergrundinformationen in ihren Reisebericht. Natürlich hat das Buch nicht den Anspruch, Dir die komplexen politischen Situationen sämtlicher befahrener Länder im Detail zu erläutern. Aber Du weisst nach der Lektüre durchaus einiges mehr, verstehst gewisse Kulturen besser.

„Was du sagst, wirft ein schlechtes Licht auf die gesamten diplomatischen Bemühungen hier, und wenn du die sudanesische Regierung verärgerst, kann das Zeit und Gelder für Projekte kosten und einen enormen Aufwand bedeuten. Ein spontaner Tweet kann die Gespräche um ein Jahr zurückwerfen.“

Aus „Von London nach Teheran“

Eine weitere wichtige Zutat für das perfekte Reisebuch ist ein wunderbarer Schreibstil. Er muss Dich bei Stange halten, begeistern und gleichzeitig flüssig sein, darf sich nicht in den Vordergrund drängen. Für mich ist es zudem immer ein grosses Plus, wenn ein Buch auch durchaus lustige Passagen aufweist.

Hier merkst Du wieder ganz deutlich, dass die Autorin sich gewohnt ist, toll zu schreiben. Jede einzelne Seite war ein Genuss – sei es, weil sie mich zum Lachen gebracht hat, weil sie so tolle Metaphern verwendet oder aber weil sie ernste Themen präzise auf den Punkt bringt.

Denn Entbehrungen sind nur für diejenigen attraktiv, die sie als Fluchtmöglichkeit geniessen, und nicht für diejenigen, die sie als Realität ertragen müssen.

Aus „Von London nach Teheran“

Um die Leser wirklich bei Stange (oder – um die Metapher fortzusetzen: bei Tisch) halten zu können, reicht es nicht, einfach nur einen interessanten Bericht zu schreiben. Es braucht durchaus auch einige spannende Momente, in welchen man sich fragt, ob dies nun überhaupt noch gutgehen kann. Ich kann Dir versichern: Auch von diesen findest Du zahlreiche. Seien dies Reifenpannen mitten im Nirgendwo, sich zuspitzende politische Situationen oder komische Gastgeber – die Reise war wahrlich kein Spaziergang.

Dafür wurde einfach eine neue Nationaltracht eingeführt, um die verschiedenen regionalen Stile der Vergangenheit zu harmonisieren. So gesehen ist die omanische Identität weniger eine organische Mischung aus Altem und Neuem als vielmehr eine aufgezwungene Homogenität, die persönliche Impulse in Schach halten soll.

Aus „Von London nach Teheran“

Schlussendlich fand ich die Autorin auch einfach rundherum sympathisch. Ich konnte mit ihr mitfühlen, mitleiden und mitfiebern – und ihr Humor hat meine Lachnerven punktgenau getroffen. Gleichzeitig fand ich es unglaublich bewundernswert, dass sie so eine Reise wagt und dabei die Mitmenschen auch immer wieder einmal auf bestimmte Punkte hinweist (z.B. dass die Frauen in gewissen Ländern nicht gleichberechtigt sind, obwohl die Männer davon ausgehen). Ich fand das ganz schön mutig – genauso wie eigentlich ihre ganze Unternehmung!

Die Luft ist jetzt kühler, aber der Wind bläst immer noch heftig. Zehn Kilometer, neun, acht… Auf der anderen Seite des Flusses erkenne ich das schwache Glühen einer Stadt und wende mich ihr zu, wie ein Schildkrötenjunges sich dem Meer zuwendet.

Aus „Von London nach Teheran“

Auch wenn ich noch so sehr suche – ich finde einfach nichts, das ich an diesem Buch kritisieren kann. Wenn Du Reiseberichte liebst, kann ich es Dir daher auf jeden Fall ans Herz legen – ein wunderbares Werk!

Dieser Artikel erschien auf www.eigenerweg.com / Vielen Dank an den riva Verlag für das Rezensionsexemplar. Fotos von mir selbst.

Veröffentlicht am
Kategorisiert in Allgemein